Triptychon – The Creation of a Gambler’

 

Der aus Afghanistan stammende Künstler Kaikaoss, seit vielen Jahren in Deutschland lebend, hat  in den achtziger Jahren in Minsk an der Akademie studiert. Er verfügt so über eine brillante, altmeisterlich zu nennende Technik.

Durch den Verzicht auf einen individuellen Farbauftrag, auf einen subjektiven Gestus erreicht er in allen Bildern eine starke Dominanz der gezeigten Gegenstände. Alle Dinge gewinnen so ein Eigenleben – er erfindet in den Bildern neue Welten, die durch die Perfektion der Darstellung ganz plausibel wirken.

 

In dem Triptychon ‚The Creation of a Gambler’ hat Kaikaoss diesen Schöpfungsakt gewissermaßen thematisiert. Wie der Schöpfer selbst ist der Künstler ja in der Lage, Dinge und Personen zu erfinden und sie in eine Beziehung zueinander zu bringen.

Das gesamte Triptychon hat ein Format von 300 X 150cm. Die drei Bilder zeigen jeweils Unterschiedliches. Ein gemeinsames Element ist allerdings eine Schnur, an der rote Tücher hängen. Sie beginnt im linken Bild an einem Mast, an dem oben Porzellanisolatoren, wie es sie an alten Überlandleitungen gab,  befestigt sind und endet im rechten an einem Knauf auf einem Bett.

 

Nun ist bei christlichen Triptychen der wichtigste Teil immer im mittleren Bild, darum scheint es sinnvoll zu sein, sich zunächst diesem Bereich zuzuwenden.

Man schaut in einen Raum, der nach hinten durch eine, auf einer Staffelei stehenden Leinwand, eine Art Vorhang oder ein Bild mit Pferden darauf und eine grüne Wand begrenzt ist.

Im Vordergrund sieht man einen Tisch, auf dem menschliche Organe – darunter ein Gehirn, weibliche und männliche Geschlechtsorgane, ein Kehlkopf und einige Spielkarten liegen. Auf der rechten Bildseite sitzt eine Figur, von der man nur das Oberteil des Gesichts und einen Teil der Arme und die Hände sehen kann. Die Ärmel sind in einem intensiven Ultramarinblau gemalt – sie stehen so in einem starken Kontrast zu den übrigen Bildteilen und fallen daher besonders auf.

Obwohl von dieser Figur ja an sich nur wenig zu sehen ist, ist sie durch die Position auf der rechten Bildseite und durch die Farbigkeit doch sehr bedeutsam. Von ihr als dem eigentlichen Bildzentrum geht alles aus, sie ist der Schöpfer,  der alles andere erschafft. Aber – wie man an den herunterflatternden Spielkarten sehen kann – der Schöpfer ist hier auch ein Spieler.

Der Schöpfer oder Spieler ist dabei einen Menschen zu schaffen, das angefangene Produkt steht vor ihm. Man sieht in einen nach vorn offenen Körper – darin sind  Rippenbögen, Organe wie das Herz, die Leber, der Magen, die Niere usw. Oben und an der Seite hat dieser Körper Engelsflügel. Es ist also ein Mischwesen zwischen Mensch und Engel.

 

Auf dem linken Bild des Triptychons schaut man gewissermaßen in den Himmel. Wolken türmen sich – im unteren Bereich werden sie allerdings zu einem Tuch mit Falten darin. Oben sieht man hinter den Wolken in einen blauen Himmel, der wieder teilweise durch eine Art Luke verdeckt wird.

Ein graubärtiger aber vom Körper her junger Mann sitzt auf einer mit grünem Stoff bezogenen Bank. Er hat den Kopf aufgestützt und die Augen geschlossen – er macht so einen sehr nachdenklichen Eindruck. Unter seinen Arm ist eine Palette geklemmt, er ist also offensichtlich ein Maler. Ich denke, man geht nicht fehl in der Annahme, dass es sich hier an sich auch um einen ‚Schöpfer‘ handelt. Dieser aber hat das Handeln an die Menschen abgegeben – er denkt nur noch nach.

 

Auf dem rechten Bild schaut man im Unterschied zu den anderen beiden Bildteilen in ein fast normales Schlafzimmer. Der Raum wird nach hinten durch eine grüne Wand abgeschlossen.

Ein Bett steht an der Wand, darin liegt ein Mann, von dem man nur einen Teil des Kopfes sieht. Davor sitzt eine Frau auf dem Bettrand, sie ist unbekleidet und bedeckt sich mit einem intensiv gelben Stoff. Der Körper ist dem Betrachter zugewandt – ihr Kopf aber ist zur Seite geneigt. Erstaunlich ist dabei, dass die Augen der Frau kaum erkennbar sind – vielleicht schaut sie intensiv nach innen.

Das Betttuch ist in einem hellen Blauviolett gemalt, es ist sehr stark gefältelt. Auf dem Boden liegt  ein roter Teppich mit einem Muster aus leicht verzogenen Quadraten.

Am verwunderlichsten sind sicher die galoppierenden Pferde, die über große Teile des Bildes verteilt sind und nach links aus dem Bild herausrennen.

 

Drei zusammenhängende Bilder stellen die Schöpfung dar. Auf der linken Seite sehen wir den ursprünglichen Schöpfer – der aber nicht mehr tätig ist, er scheint das, was er geschaffen hat, nur noch zu überdenken. In der Mitte ist es der ‚Homo Faber‘ oder ‚Homo Ludens‘ – der tätige Mensch, der hier hauptsächlich spielt und rechts ist es mit der Frau vielleicht die Phantasie, die Traumwelten schafft.

 

Alles in allem ist es eine wunderbare Welt, die Kaikaoss uns hier mit seinem Triptychon schenkt. Eine Welt, die so perfekt gemalt ist, dass sie ganz real aussieht. Alles ist perfekt wiedergegeben. Jedes Detail stimmt – nur die Zusammenstellung der Dinge ist ‚wunderbar‘. Und das ist die Fähigkeit des Künstlers – des ‚Schöpfers‘. Er kann Dinge und Figuren aus dem Nichts entstehen lassen, er kann etwas sichtbar werden, es aber auch wieder verschwinden lassen.

Alles das deutet auf eine andere Wirklichkeit hin, auf eine ‚Überwirklichkeit’

Dr. Rainer Grimm